Die Durtonleiter - kurz und knapp

Die Durtonleiter ist eine der wichtigsten Tonleitern in der Musik und die in der westlichen Welt am meisten genutzte. Sie und die Molltonleitern bilden seit dem Barock das Fundament der klassischen Musik und der westlichen Unterhaltungsmusik. Beide Geschlechter (Dur und Moll) entwickelten sich aus den Kirchentonarten des Mittelalters. Alle diese Tonleitern sind diatonisch, bestehen also aus 5 Ganztonschritten und 2 Halbtonschritten, die in einem bestimmten Muster angeordnet sind.

Zur Bestimmung des Typs einer Tonleiter sind die absoluten Tonhöhen nicht von Bedeutung, auch nicht Tonnamen, sondern nur die Abstände zwischen den Tönen. Deshalb spricht man auch von Tonstufen statt von "Tönen" und von Tonstufenleitern statt von "Tonleitern". Die Abstände zweier Tonstufen nennt man Tonschritte.

Die Diatonik ist gekennzeichnet durch ein Muster von Ganztonschritten T und Halbtonschritten H, wobei T ungefähr das Frequenzverhältnis 9 : 8 hat, und H ungefähr 16 : 15. Man tut aber so, als seien 6 T genau eine Oktave und 2 H genau ein Ganztonschritt T. Damit bilden 5 Ganztonschritte und 2 Halbtonschritte zusammen genau eine Oktave. Das entscheidende Muster der Diatonik ist das sich alle 7 Schritte wiederholende Muster

T, T, H, T, T, T, H, T, T, H, T, T, T, H, T, T, H, T, T, T, H, ...

und heißt diatonisches Tonschrittschema. Man beachte, dass 7 Schritte zusammen immer eine Oktave bilden. Jeder 7-stufige Abschnitt des Schemas ist eine diatonische Tonleiter, und offensichtlich gibt es 7 davon. Dies bedeutet, dass alle diatonischen Tonleitern eigentlich gleich sind und sich nur durch ihren Startpunkt unterscheiden. Die Durtonleiter ist der Abschnitt mit den Schritten

T, T, H, T, T, T, H .

D.h. die Durtonleiter fängt mit zwei Ganztonschritten an, dann kommt ein Halbtonschritt, und so weiter. Eine Molltonleiter fängt dagegen mit T, H, T, T an. Die relativen Tonhöhen der einzelnen Stufen, also deren Frequenzverhältnisse zu Grundton, sind nur ungefähr festgelegt, denn auch Ganz- und Halbtonschritte sind nur ungefähr festgelegt. Wie man aus den ungefähren Tonhöhen zu konkreten Tonhöhen kommt, nennt sich Stimmung der Tonstufenleiter.

Das Intervall bestehend aus zwei Schritten des diatonischen Schemas nennt man Terz, und unterscheidet zwischen großer Terz T+T und kleiner Terz T+H. Das Intervall aus 3 Schritten nennt man Quarte, und unterscheidet zwischen normaler Quarte 2T+H und übermäßiger Quarte 3T, welche aber nur an genau einer Stelle vorkommt (bei T, T, T). Vier Schritte zusammen nennt man eine Quinte, und unterscheidet zwischen normaler Quinte 3T+H und verminderter Quinte 3T, welche aber nur an einer Stelle vorkommt (bei H,T, T, H). Terzen und normale Quarten und Quinten entsprechen annähernd einfachen Frequenzverhältnissen:

Quinte 3:2
Quarte 4:3
große Terz 5:4
kleine Terz 6:5

Zwei aneinanderstoßende Terzen bilden einen Dreiklang, entweder den Dur-Dreiklang mit großer Terz unten und kleiner oben, oder den Moll-Dreiklang mit kleiner Terz unten und großer oben, oder den Ausnahmefall H+T, T+H. In der Diatonik sitzt also auf jeder Stufe ein Dur- oder Moll-Dreiklang (mit obiger Ausnahme). Dabei klingt für uns Dur vertrauter und freundlicher als Moll.

In der Durtonleiter sind es die 1., 4. und 5. Stufe, auf der ein Dur-Dreiklang sitzt, also auf der Grundstufe, auf der Quarte und auf der Quinte. Diese Dreiklänge haben besondere Namen und heißen Tonika, Subdominante und Dominante. Die Tonika und die Dominante sind die wichtigsten Dreiklänge der Durtonleiter, wobei die Tonika der Ruhepol ist und die Dominante zur Tonika aufgelöst werden will. Viele einfachen Unterhaltungslieder benutzen nur diese Stufen für die Begleitung mit Akkorden (siehe tonale Harmonik).

Das diatonische Tonschrittschema kann in das 12-stufige, nur aus Halbtonschritten bestehende Tonschrittschema (chromatisches Tonschrittschema) eingebettet werden, denn ein Ganztonschritt besteht ja aus zwei Halbtonschritten.

Die Stufen des diatonischen Schemas hatten schon im Mittelalter eigene Namen bekommen, noch bevor die Namen absolute Töne bezeichneten. Die Durtonleiter lautete dann

c, d, e, f, g, a, b durum, c

oder

f, g, a, b molle, c, d, e, f .

Die Tatsache, dass zwischen a und c zwei verschiedene Töne angesiedelt waren, verdeutlicht, dass zwischen zwei Durtonleitern auf verschiedenen Stufen hin- und hergewechselt werden konnte (Modulation). Für die Durtonleiter beginnend auf "c" benötigte man das "b durum" (heutiges "h") und für die Durtonleiter auf "f" das "b molle" (heutiges "b"). Es war aber auch der erste Schritt in die Chromatik, bei der einzelne Stufen um einen Halbtonschritt erhöht oder erniedrigt werden konnten. Sie ermöglichte es, die Durtonleiter auf jeder Stufe beginnen zu lassen, wenn man die richtigen Tonstufen um einen Halbtonschritt veränderte. Als Namen für eine veränderte Stufe wählte man den Namen des diatonischen Stammtons mit einer Ergänzung, die die Veränderung anzeigte (wie "cis", oder im Englischen "c sharp").

Die weißen Tasten des Klaviers bilden ein diatonisches Tonschrittschema, und beginnt man auf "c", erhält man die Durtonleiter. Die schwarzen Tasten ergänzen Halbtonschritte, und bilden zusammen mit den weißen dann die Chromatische Tonleiter.

© Volker Schubert